Kathrin Demuth
Beruf und Berufung: Ready to love (again)
Du lernst, Du studierst, Du findest Flow.
Schnitt.
Du fällst dank Heirat und Pandemie und Babys in eine klassische Rollensituation.
Da passiert so viel: In Dir spielt eine Klaviatur, das bist Du. Dann kommen die vielen Bausteine des schieren Organisierens und Seins hinzu. Die Notwendigkeiten umfassen den Tag - und mit kleinen Kids am Start auch die Nacht: Windeleimer täglich leeren, Pampers wechseln, Spülmaschine an- und ausräumen, Tierhaare und Gedöns hinfortstaubsaugen, kochen, Kinder auf den Arm nehmen, trösten, bespaßen, mit ihnen lachen, vorlesen, lernen, Termine machen, von A nach B nach C fahren, einkaufen, den Hund lüften. Den Mann im Getümmel kurz drücken, wenn er zwischen zwei Zoom-Meetings von seinem Home Office-Platz fix zur Toilette und zurück eilt.
Das ist seit März 2020 mein Alltag. In der "Brigitte" ist zu lesen, dass Arbeitnehmer immer noch größtenteils davon ausgehen, dass Familien mit kleinen Kindern in der Regel einen Hauptverdiener haben. Die Pandemie hat diese Strukturen gefestigt. Es fühlt sich unausgewogen an. Doch: Hey, Du hast diese gesunde liebe Familie. Freu´ Dich, mach´ weiter, später ist auch noch Zeit.
Ähm. Stopp.
Die Frage stellt sich: Wo drücke ich mich mal selbst beziehungsweise wann spielt die Klaviatur, die mich ausmacht, wenn ich aus der Rolle des Kümmertiers heraustrete? Ein mich beherrschender Gedanke, weil ich merke, dass ich Bedürfnisse wegdrücke, die für mich - und damit im Effekt auch für meine Lieben - eigentlich wie Wasser und Brot sind. Also: Keine egoistische Frage, sondern eine lebensnotwendige. Es ist eine Sehnsucht, die nicht unterdrückt werden darf. Und zusätzliches Geld, Sicherheit, Unabhängigkeit. Die Umsetzung erfordert Energie - und lohnt sich, entwickelt sich. Ich habe gelernt, den Fokus zu setzen, liebe meine Familie, doch ebenso die Zusammenarbeit in der Partnerschaft, das geschriebene Wort und meine kreative Arbeit. Will mit Absicht Gelerntes anwenden - und in die Rentenkasse einzahlen. Wie also sichere ich meiner Berufung in diesem vollgepfropften und lauten Alltag den Platz?
Ich formuliere mein Ziel.
Ich setze mir Zeitslots für das pure Arbeiten, die unumstösslich sind.
Ich vernetze mich mit Gleichgesinnten.
Ich delegiere und teile gemeinsam mit meinem Mann am Ende der einen Woche die Termine für die neue Woche ein.
Ich frage die Kids nach ihren Wünschen und lege echte Familienzeit in der Woche fest.
Ich lege echte Auszeiten für uns als Paar und für mich ganz allein fest.
Und am Ende des Tages wird der Zweifel an dieser Vorgehensweise jeden Morgen und jeden Mittag und jeden Abend und jede Nacht (Oh ja, die Nächte, sie sind mit ihrer Dunkelheit, dem Herzklopfen und den irrationalen Gedankenkreiseln bisweilen tückisch, wenn es um das eigene Sein und Wirken geht) in die Tonne getreten.
Das ist mein Plädoyer an mich selbst - und all diejenigen da draußen, die merken, dass ihnen im Alltagsstrudel und gerade in so hochkonzentrierten Kümmerzeiten wie dieser verrückten und verdammten Pandemie die Berufung ziemlich laut zusingt.
Spielt die Klaviatur. Trotzdem. Und gerade, weil!
